Ein Tropfen aus uferlosen Meeren des Erbarmens – Erinnerung an Sheikh Muhammad Nazim Adil al-Haqqânî an-Naqshband


Wiederkehr des Todestages eines umwerfend wunderbaren Mannes, eines Nachfahren des Propheten, auf dem und dessen Leuten Frieden und Segen seien, eines spirituellen Führers dieses Planeten, durch den der Herr der Welten uns allen einen Eindruck Seiner Schönheit gab, hier einige Momente aus seinem Leben.
Maulânâ Sheikh Muhammad Nâzim al-Haqqânî, Sultan al-Awliya, wurde in einer Stadt namens Larnaka geboren, einer der Hauptstädte jener Insel, die Zypern genannt wird. Es ist eine Stadt nahe am Meer, und das Elternhaus stand direkt am Meer.
Dort wurde er am 21. April 1922 geboren, an einem Sonntag, und nach dem Islamischen Kalender war es Sonntag, der 6. Sha‘bân, der Monat, der dem Propheten Muhammad ﷺ gewidmet ist.
Sein Geburtshaus stand nahe der Zâwiya (Derwischkonvent) und dem großen Maqâm (Grabstätte) einer der heiligen Gefährtinnen des Propheten Muhammad (s), Umm al-Hirâm binti l-Milhan. Zu seinen Lebzeiten hatte der Prophet ihr die folgende frohe Botschaft vorausgesagt: „Du wirst an den Feldzügen zur Verbreitung des Islam teilnehmen. Auf einer Insel, zu der du mit den Sahâba reisen wirst, um den Westen für den Islam zu öffnen, wirst du als Märtyrerin sterben.“ Und so geschah es. Von den Christen auf dieser Insel wurde sie ebenfalls geehrt. Sie bauten eine große Grabstätte, einen Maqâm, für sie. Er ist bekannt und berühmt. In seiner Nähe stand nun das Elternhaus von Maulânâ Sheikh Nâzim, und so kam es, daß er nahe der   Zâwiya und des Maqâms dieser Sahâbî Umm al-Hirâm geboren wurde.
Der Name seines Großvaters war Hasan Yesilbas. Er war ein Nachkomme von Sayyidinâ ‘Abdul Qâdir al-Jilânî, der ein großer Heiliger und der Begründer des Qadirî-Sufi-Ordens war. Er war der Sultan der Heiligen seiner Zeit und auch ein Nachkomme des Propheten Muhammad (s)über dessen Enkelsohn Sayyidinâ Hasan, den Sohn der Sayyida Fâ†ima, der Tochter des Propheten, und Sayyidinâ ‘Alîs, möge Allâh mit ihm zufrieden sein. So ist Maulânâ Sheikh Nâzim über die Linie seines Vaters von den Ahlu l-bait: der heiligen Familie des Propheten und einem seiner Nachkommen verwandt. Und dieser Großvater war auch der Imam des Qadirî-Sufi-Ordens in Larnaka, und seine Zâwiya war in ebendieser Moschee der Umm al-Hirâm, der Gefährtin des Propheten. Er diente dem Maqâm und dem Sufi-Orden seines Vorfahren ‘Abdul Qadir al-Jilânî vierzig Jahre lang. Der Name des Vaters von Maulânâ Sheikh Nâzim war Aamad (auf türkisch Ahmet) ‘Âdil. Er folgte nicht diesem Sufi-Weg, weil sein Vater starb, als er noch ein Kind war. Nach seinem Tode, im Grab, wurde er aber dem Naqshbandî-Weg verbunden und zur Vollkommenheit erhoben, und zwar durch seinen Sohn Maulânâ Sheikh Nâzim al-Óaqqânî, und er wurde mit der Stufe der Naqshbandî bekleidet. Er erreichte einen hohen spirituellen Rang. Maulânâ Sheikh Nâzim vervollkommnete ihn spirituell und brachte ihn zu einer sehr hohen Stufe eines Naqshbanî-Sufi-Imam. Das geschah mit Erlaubnis des Großscheichs, des Sultans der Heiligen und Siegels der Heiligen, Maulânâ Sheikh ‘Abdullâh ad-Daghistânîs, an Sheikh Muhammad Nâzim.
Die Abstammungslinie seiner Mutter ging über ihre Väter und Großväter auf den großen Sultan der Heiligen seiner Zeit, Maulânâ Sayyidinâ Jalâluddîn Rûmî zurück, der weltweit und besonders in der Türkei bekannt ist. So hat Maulânâ Sheikh Nâzim über die Abstammungslinie seiner Mutter auch die Îmâma, die Stellung eines Imams, des Mevlewi Wegs Sayydinâ Jalâluddîn Rûmîs.
Der Großvater mütterlicherseits war auch ein Schriftsteller, der Bücher über alle möglichen verschiedenen Wissensgebiete schrieb. Er war ein großer Gelehrter, sehr gebildet und schrieb auch Poesie, die in Zypern veröffentlicht wurde. Handgeschriebene Werke von ihm wurden in der Moschee zu Zeiten des letzten Osmanischen Kalifen ausgestellt.
Maulânâ Sheikh Nâzims Mutter erzählte aus seiner Kindheit, daß er nie in seinem Zimmer aufzufinden war. Er blieb nie im Hause, und sie suchte immer nach ihm. Für gewöhnlich fand sie ihn im Maqâm und der Moschee dieser Prophetengefährtin Umm al-Hirâm, wo er den „halaqa l-‘ilm wa dh-dhikr“ beiwohnte, den Versammlungen, wo Wissen und Sharî‘a gelehrt und Dhikr gemacht wurde. Er war gerade mal vier oder fünf Jahre alt und nahm an den Versammlungen der ‘Ulamâ’ und Gelehrten teil und saß zwischen den großen Heiligen im Maqâm der Gefährtin des Propheten Muhammad (s)!
In seiner Kindheit und Jugend war er so intelligent und klug und versetzte durch seine Fähigkeiten die Lehrer in Erstaunen. Sie mußten nie eine Lektion für ihn wiederholen. Er war wie ein Aufnahmegerät – alles Wissen wurde seinem Gedächtnis eingeprägt. Und so sagte man, daß er eine Wunderkraft besäße, weil er so klug und intelligent war und seinen Lehrern sogar vorraussagen konnte, was sie ihn als nächstes lehren wollten. Er wußte es, bevor sie es ihn lehrten. Und er war außergewöhnlich verständig beim Lernen der Lektionen und sämtlicher Wissenschaften. Er beendete das Gymnasium in Zypern und ging nach Stambul, heutzutage Istanbul genannt, um seine Ausbildung an der Ahmet ‘Âdil Universität von Istanbul fortzusetzen. 9 trat er in die Biochemische Fakultät ein. Er hatte drei Brüder, die alle an der Universität von Istanbul studierten – damals die angesehenste aller Universitäten in der Türkei. Einer der Brüder wurde Ingenieur, ein anderer Rechtsanwalt, und der dritte wurde Arzt.
Während Sheikh Nâzims Studium brach der Zweite Weltkrieg aus, und man berief seine Brüder in die Armee ein. Vor allem brauchten sie Ärzte und somit jenen Bruder, der Arzt geworden war. Maulânâ Sheikh Nâzim war gerade dabei, seinen Abschluß als Biochemiker zu machen, als die Nachricht kam, daß ebendieser Bruder als Märtyrer gefallen war – durch einen Schuß in sein Herz. Maulânâ Sheikh liebte diesen Bruder sehr. Er hatte eine besondere Zuneigung zu ihm, und so war er sehr niedergeschlagen. Er kam zu der Erkenntnis, daß alles auf dieser Welt sein Ende findet und vergänglich ist, und er sagte zu sich: „Warum sollte man ein weltliches Leben als Gelehrter, Doktor oder Ingenieur führen, wo wir doch schließlich alles hinter uns lassen müssen oder alles uns verläßt und wir zu Allâh dem Allmächtigen zurückkehren? So will ich mich lieber sofort auf den Weg zu Ihm machen. Worauf noch warten?“ Sein Studium war schon abgeschlossen, und nun ließ er alles hinter sich ...
Er suchte einen großen Scheich in Istanbul auf, um den Islam bei ihm zu studieren, denn er hatte für sich erkannt, was der Prophet Sayyidinâ Muhammad ﷺ in einem Óadith gesagt hatte: „Wie lange auch immer du leben magst – am Ende mußt du doch sterben. Und was immer du in der Dunyâ liebst, du wirst es lassen müssen: entweder verläßt es dich, oder du selber verläßt es; entweder stirbt die geliebte Person, oder du stirbst vor ihr. Aber derjenige, der Allâh den Allmächtigen liebt, wird für immer bei Ihm bleiben, weil Allâh der Allmächtige niemals stirbt.“
Und: „Was immer du tust, Allâh der Allmächtige wird dich dementsprechend belohnen. Wenn du fürs Diesseits, Dunyâ, arbeitest, wirst du im Diesseits belohnt werden. Wenn du aber gute Taten fürs Jenseits, Âkhira, tust, auf das ewige Leben hiernach ausgerichtet, dann wird Allâh der Allmächtige dich ebenfalls dementsprechend belohnen. Das Paradies wird dir gehören, und du wirst in Seiner göttlichen Gegenwart sein.“
Und Allâh der Allmächtige erfüllte Maulânâs Herz mit einer Art Licht, mit Geheimnissen, so daß alle Liebe zur Dunyâ aus seinem Herzen wich und es erfüllt wurde von der Liebe zum ewigen Leben, Âkhira, der Liebe zu den Heiligen und dem Propheten Muhammad (s) und der Liebe zu Allâh dem Allmächtigen. Er ließ alles Weltliche hinter sich – sein Studium und die Titel, die er erworben hatte, verließ Familie und Bekannte und wandte sich den Heiligen und ‘Ulamâ’ seiner Zeit zu. Er begann, nach dem göttlichen Wissen zu suchen: Fikr, Sharî‘a, Óadîth, und besonders fühlte er sich zum Sufismus hingezogen. Und er wurde von dem damaligen Scheich aller ‘Ulamâ’ in Istanbul ausgebildet, der als großer Gelehrter von Fikr und Ḥadîth in der Islamischen Welt bekannt war. Sein Name war Sheikh Jamâl ad-Din al-Lasûnî.
Innerhalb weniger Monate wurde Maulânâ berühmt. Er erwarb alles mögliche Wissen über Fikr, Sharî‘a und Islamische Rechtsprechung, was sein Scheich ihm vermitteln konnte. Und bald übertraf er seinen berühmten Meister, so daß dieser auf ihn angewiesen war und Maulânâ über dieses oder jenes Problem zu Rate zog, wenn er eine Fatwa aussprechen oder jemandem Rat und Antwort geben mußte, der eine tiefsinnige Frage hatte.
Und so wurde Maulânâ sehr berühmt in Istanbul. Er wurde zum wandelnden Nachschlagewerk der vier Rechtsschulen, insbesondere der Rechtsschule des Sayyidinâ Abû Aamad al-Óanîfa. Und alle Gelehrten in Istanbul sagten von Maulânâ, daß er viel tiefgründiger und überragender als sein Lehrer, Sheikh Jamâl ad-Din al-Lasûnî, sei ... Während dieser Zeit wurde Maulânâ von einem der großen Heiligen jener Zeit spirituell angezogen. Er war einer der Pole, der Qu†b al-Muta¶awwif – durch den Willen Allâhs des Allmächtigen mit diesem spirituellen Rang bekleidet. Sein Name war ‘Ârif bi-llâh – Kenner Allâhs des Allmächtigen –, Sheikh Suleiman Erzurumi. Er war ein Scheich der Naqshbandi-Tariqat (Orden) und als „Sheikh ul-Mashâyikh“, als Scheich aller Scheichs, in den türkischen Gebieten bekannt.
Er sagte zu Maulânâ: „Das Wissen über die Sharî‘a allein wird dir nicht gerecht. Ich muß dich den Sufismus lehren; das Wissen über die Awliyâ’, die Freunde Allâhs, das göttliche Wissen, Geheimnisse und Weisheit.“ Er selber war zu seiner Zeit einer jener Heiligen, deren Namen unter den „“ geschrieben standen, einer Gruppe von Heiligen, Rijâlallâh – Männer Allâhs des Allmächtigen –, die Allâh mit dem spirituellen Rang Seiner Kalifen auf Erden bekleidet. Sie erscheinen jeweils in ihrer Lebenszeit seit der Zeit des Propheten Muhammad (s) bis zum Jüngsten Tage, dem Yaum al-Qijâma. Es sind immer  – nicht mehr und nicht weniger. Und dieser Scheich war einer von ihnen. Warum es  sind? Weil sie die  Propheten repräsentieren, die unter den insgesamt  ooo Propheten Allâhs gleichzeitig auch Seine Gesandten waren. Nicht alle jener ooo Propheten waren auch Gesandte oder Botschafter. Und so trägt ein jeder aus der Gruppe dieser  Awliyâ’ Allah (Heiligen) jeweils das Geheimnis eines dieser Propheten-Gesandten, das ihm von Allâh dem Allmächtigen gegeben wird.
Und jener Heilige Sheikh Erzurumi kümmerte sich sehr intensiv um Maulânâ Sheikh Nâzim. Er bildete ihn aus und brachte ihn in die Fußspuren der Awliyâ’. Er lehrte ihn göttliches Wissen und göttliche Geheimnisse, bis Maulânâ Sheikh Nâzim zum Imam des Sufismus seiner Zeit wurde – und da war er gerade einmal  oder  Jahre alt ...
Es waren die schönsten Momente für ihn, wenn er im Gebet vor Allâh dem Allmächtigen stand. Und wer immer ihn suchte, fand ihn im Gebet an, niemals bei untätigem Herumsitzen. Tausende von Raka‘ât (Gebetseinheiten) plegte er jede Nacht zu beten.
Schließlich rief der Scheich ihn zu sich und sagte: „Mein Sohn, ich habe dich ausgebildet und dich gut erzogen, und ich kann dir nichts mehr geben. Meine Stufe geht so weit. Die deine aber ist sehr hoch, denn deine Himma, deine spirituelle Motivation, deine Kraft und Energie sind viel größer, als ich gedacht hatte oder als ich sie habe. Ich habe deshalb den Propheten Muhammad (s)spirituell gefragt: ‚Was soll ich mit meinem Sohn Nâzim machen, der so viel Entschlußkraft und eine so hohe Stufe hat, daß ich nicht mehr mit ihm mithalten kann? Denn er hat mich überholt und ist zum Imâm des Sufismus geworden.‘ Der Prophet hat geantwortet: ‚Sein spirituelles Amanat, sein spiritueller Schatz bei Allâh und das, was ihm am Tag der Versprechen zugesagt wurde, liegt nicht bei dir, deshalb kannst du nicht mit ihm mithalten. Sein Amanat ist bei dem Siegel der Heiligen, dem Sultan der Heiligen und Ghauth seiner Zeit, dem mit dem allerhöchsten spirituellen Maqâm, auf den alle Heiligen angewiesen sind, der auf meinen Befehl hin in Damaskus, in Shâm, lebt. Sein Name ist Sheikh ‘Abdullâh ad-Daghistânî. Er wanderte aus Daghestan in die Türkei, und nachdem sein Scheich gestorben war, befahl ich ihm nach Damaskus zu ziehen. Er kann über Sheikh Nâzim wachen und ihm all das geben, was du ihm zu geben nicht imstande bist.‘ “
All dies sagte Sheikh Erzurumi zu Maulânâ Sheikh Nâzim, und Maulânâ erzählte dazu folgendes: „Ich hörte dies von ihm, und sogleich zogen mich mein Herz, mein physischer Körper und mein Gefühl nach Damaskus hin, und es drängte mich, nach Shâm auszuwandern. Und ich sagte mir, daß ich dann von Damaskus nach Medina Munawwara weiterziehen und mich beim Propheten Muhammad (s) niederlassen würde.“
Und er sagte weiter: „Ich folgte dem Willen meines Scheichs Suleiman Erzurumi. Ich drehte mich nicht einmal mehr um, um zu sehen, was ich an Büchern zurückließ oder was ich sonst noch hatte. Ich ließ alles zurück, ging fort und wanderte nach Damaskus aus. Ich hatte nicht einmal Geld in den Taschen, nur meinen Stock und die Kleider an meinem Leib ...
Ich erreichte die türkisch-syrische Grenze nahe der Stadt Aleppo. Dort setzte ich den Turban auf und ließ von dort an meinen Bart wachsen, und ich kleidete mich völlig der Sunna des Propheten entsprechend, denn ich sagte mir: „Wie könnte ich aus Liebe zum Propheten Muhammad (s) Damaskus und islamische Länder betreten und nicht auch seiner Sunna folgen?“ Und aus Respekt zum Propheten und dem heiligen Land Shâm legte ich die Sunnakleidung an.
Nach Aleppo ging ich nach Hama und von Hama nach Homs. In Homs ließ ich mich als Gast bei seinen Einwohnern nieder, denn diese waren sehr religiös, ihre Häuser sehr schlicht, und es war sehr viel Licht dort. Ihr Benehmen war sehr gut und tadellos, und es waren sehr bescheidene Menschen. Sie nahmen mich so herzlich auf und waren sehr erfreut über die Anwesenheit eines solchen jungen Mannes wie mich, der eine Erziehung nach der Sharî‘a genossen hatte. Aus ihrer Freude mit mir heraus wiesen sie mir ein Zimmer in der Moschee des Sayyidinâ Khâlid ibn Walîd zu. Er war der Oberbefehlshaber des Propheten Sayyidinâ Muhammads (s) gewesen, ein sehr angesehener Sahâbî, Gefährte des Propheten. Und es wurde mir klar, daß Sayyidinâ Khâlid ibn Walîd meine Anwesenheit wünschte und daß er wollte, daß ich unter den Menschen von Homs bei seinem Maqâm wohnte. Und nachdem ich seine Erlaubnis zum Bleiben erhalten hatte, wurde ich Nachbar von Sayyidinâ Khâlid ibn Walîd und lebte in einem Raum innerhalb der Moschee nahe seinem Maqâm.
Ein ganzes Jahr lang blieb ich in Homs, während dem ich weiter ausgebildet und erzogen wurde und den heiligen Koran mit Tajwîd und Ahkam (Aussprache der arabischen Buchstaben, die sieben Weisen der Rezitation des heiligen Koran) rezitieren lernte. Ich studierte die sieben Weisen der Koranrezitation, wie sie vom Propheten Muhammad (s) überliefert worden waren, lernte den ganzen Koran auswendig und studierte Arabisch bei den großen ‘Ulamâ’ der islamischen Länder, von Shâm. Und insbesondere waren das: Sheikh ‘Abd al ‘Azîz Ayun as-Sud, der Sheikh ul-Islâm von Syrien und Damaskus und der islamischen Welt, sein Vater, Sheikh Muhammad ‘Alî Ayun as-Sud, Sheikh ‘Abd al-Jalîl Murad und Sheikh Said al-Jab as-Sibayî. Und sie alle waren die Assistenten des damaligen Kalifen in Syrien – Damaskus und Homs.
Sheikh Said as-Sibayî war der Imam in der Moschee des hochgeehrten Sahâbî und Gefährten des Propheten Sayyidinâ Muaam­ mad (s), Sayyidinâ Khâlid ibn Walîd. Und eines der Wunder, die ich bei diesem Ma­ qâm erlebte, war das folgende:
‚Es war im Zweiten Weltkrieg. Homs und auch das Maqâm und die Moschee des Khâlid ibn Walîd wurden bombardiert. Aus Liebe zu diesem Sahâbî hatten viele Menschen das Maqâm und den umliegenden Garten als Schutz vor den Bomben aufgesucht. Niemand wagte es, auf das Minarett zu steigen und den Adhân zum Gebet zu rufen. So stieg ich hinauf. Gerade hatte ich begonnen, ‚Allâhu akbar, Allâhu akbar ...‘ zu rufen, als ich zu meiner Überraschung folgendes beobachtete: Tausende von Menschen hatten sich zur Nachtruhe um die Moschee herum und in dem umliegenden Garten hingelegt. Bomben wurden über ihnen und über dem Maqâm abgeworfen. Aber dann sah ich Engel und wie sie die Bomben mit ihren Händen abfingen und fortschleuderten, so daß niemand, der sich beim Maqâm des Khâlid ibn Walîd und im umliegenden Garten befand, zu Schaden kam. Ich sah diese Engel, wie ich jetzt euch sehe, wie sie die Bomben abfingen und sie in die Richtung zurückwarfen, aus der sie gekommen waren. Und niemand wurde verletzt!
Nach einem Jahr des Rückzugs in diesem Maqâm und des Studiums der arabischen Sprache und der Rezitation des heiligen Koran auf sieben Weisen gaben sie mir schließlich die Lehrerlaubnis, ‚Ijâza‘, als einen Abschluß dieses Studiums.
Eines Abends nach ‘Ishâ’, dem Nachtgebet, sagte der Imam der Moschee, Sheikh as-Sabayî, zu mir: ‚O mein Sohn, Sheikh Nâzim, morgen nach dem Fajr Gebet werde ich aufbrechen. Ich möchte einen sehr großen Heiligen besuchen. Sein Name ist Sheikh ‘Abdullâh ad-Daghistânî. Er stammt aus Daghestan und wanderte in die Türkei aus, von wo er dann auf Befehl des Propheten Sayyidinâ Muhammad (s) nach Damaskus emigrierte und sich dort in einer Moschee in Midan niederließ. Wenn du mit mir kommen möchtest, bist du hochwillkommen.‘ “
Und Maulânâ Sheikh Nâzim sagte: „Kaum hörte ich den Namen Sheikh ‘Abdullâh und was Sheikh as-Sibayî mir erzählte, da erinnerte ich mich an das, was mir mein Scheich in der Türkei gesagt hatte. Mein Herz bebte, mein ganzer Körper zitterte, und ich sagte mir: ‚Das ist der tatsächliche Grund für meine Auswanderung nach Shâm.‘ Ich sagte zu dem Imam: ‚Ja, ich werde mitkommen! Schnell! Ich werde dich begleiten!‘ Und am nächsten Morgen brach ich mit ihm auf.
Wir erreichten Damaskus und gingen ins Stadtzentrum. Dort gibt es einen Platz, Midan genannt, mit einer Moschee namens Jâmi‘ ad-Daqaq. Es war ‘A¶r-Zeit, als wir ankamen. Unsere Reise hatte von morgens bis zum Nachmittag gedauert, weil es zu jener Zeit keine Busse und Autostraßen gab. Reisen war schwierig. Nachdem wir ‘Aṣr gebetet hatten, suchten wir jenen berühmten Heiligen auf, jenen großen Scheich mit Namen Sheikh ‘Abdullâh ad-Daghistânî. Er lebte nahe dem Friedhof Bâb as-Sarir, in dem Maqâm des großen Awliyâ’ Sheikh Hasan al-Jabawî. Es war wie hier – beim Maqâm des Großscheichs ‘Abdullâh: unten die Maqâms und Gräber und darüber ein Raum. Und in diesem Raum lebte der Großscheich. Sechs Jahre lang machte er Khalwa dort, und seine Familie war auch bei ihm.
Gerade klopften wir an die Tür jener Zâwiya, als der Großscheich ‘Abdullâh ad-Daghistânî selber die Türe öffnete. Er schaute mich an und sagte: ‚Willkommen ist der, den wir erwartet haben.‘ Und dann ging sein Blick über uns hinaus in die Ferne, und er sagte: ‚Ich habe bekommen, was du mir geschickt hast‘ – und er sprach dabei zu dem heiligen Sheikh Suleiman Erzurumi –: ‚Ich habe das Amana, das du mir geschickt hast, bekommen, ich habe Sheikh Nâzim empfangen.‘
So war meine erste Begegnung mit Maulânâ Sheikh ‘Abdullâh ad-Daghistânî im Jahre 9. Damals war ich  Jahr alt. Seit jener Begegnung fühlte ich mich so sehr von ihm angezogen, und ich verließ ihn nie, bis er aus der Dunyâ verschied. In diesem Zeitraum hörte ich Sohbas von meinem Großscheich – dreistündige Ansprachen auf türkisch –, die ich alle aufschrieb. Wenn ich ihn verließ, pflegte ich in mein Zimmer zu gehen und die Ansprachen genau so aufzuschreiben, wie er sie gehalten hatte. Ich schrieb nicht, wenn ich bei ihm saß, nein, aus dem Gedächtnis! Ich hörte dem Großscheich zu, prägte mir alles ein, was er sagte, ging heim und saß dann ein, zwei oder drei Stunden und schrieb alles auf ...
Nachdem also der Großscheich uns willkommen geheißen hatte, setzten wir uns, und er begann seine Ansprache. In ihr eröffnete er uns alle möglichen Arten göttlichen Wissens und göttlicher Weisheit, Dinge, über die nie zuvor gesprochen worden war und die nicht einmal bei Sayyidinâ Muhyîuddîn Ibn ‘Arabî erwähnt waren oder bei irgendeinem der anderen Heiligen, die über den Sufismus oder göttliches Wissen geschrieben hatten.
Er gab uns, was er direkt von Sayyidinâ Muhammad aus den göttlichen Meeren des Wissens Allâhs des Allmächtigen zu empfangen schien. Er übermittelte und Muhammad Nazim, Großvater väterlicherseits übersetzte es uns, bis er mir jedwede Frage beantwortet hatte, auch die, die ich damals noch in bezug auf die Sharî‘a hatte, und was in all den vorhergehenden Jahren auch durch mein Herz gegangen war. Alles, was ich an Ausbildung in all jenen Jahren erhalten hatte, wurde in diesen drei Stunden, in denen ich bei ihm saß, durch seine Worte geklärt.
Und – was mich ihm mehr und mehr verbunden machte – er begann daraufhin über den Sahibu z-Zamân Sayyidinâ Mahdî (a. s.) zu sprechen. Er erklärte uns alles und beschrieb uns die unscheinbarsten sowie die größten Einzelheiten über ihn – wie er erscheinen wird, wie er kämpfen wird, wie er der Welt Frieden bringen wird. Und es war, als ob jene Zeit gerade vor seinen Augen abliefe. So beschrieb er mir Minute um Minute, bis die Ansprache beendet war. Ich fühlte mich so sehr zu ihm hingezogen und ihm verbunden – viel mehr als zu dem Scheich, den ich damals in der Türkei gehabt hatte, jenes Heiligen, der mich gelehrt und mir von Großscheich ‘Abdullâh erzählt hatte. Es wurde mir jetzt klar, wie groß mein Wissensrückstand war. Dann sprach der Großscheich zu mir über den Messias Sayyidinâ ‘Îsâ (a. s.), wie er aus den Himmeln wieder auf die Erde herabsteigen und wie lange er regieren wird, bis er endgültig von der Welt scheidet.
Und er ging darüber hinaus und sprach auch über alle Ereignisse bis zu dem Zeitpunkt, da der Erzengel Sayyidinâ Isrâfîl am Tage des Gerichts die Trompete blasen wird, wie alles stattfinden und wie es bei dem Hohen Gericht Allâhs des Allmächtigen zugehen wird. Und er endete mit jenen, die ins Paradies eingehen und jenen, die in die Hölle eingehen werden. Und all diese göttlichen Geheimnisse beschrieb er, und zwar nicht in der Art, wie ‘Ulamâ’ und Gelehrte sie in ihren Büchern über Fikr oder die Sharî‘a beschreiben. Seine Beschreibung war so, als ob die Dinge gerade in diesem Moment passierten, und ich wurde dabei zum Beobachter des Geschehens. Es kam mir so vor, als sähe ich die Details und Bilder auf einem Bildschirm. Das war es, was ich mein ganzes Leben lang gesucht hatte und was ich noch zu lernen hatte. Ich hatte diese Art von Wissen gesucht und hier gefunden ...“
Maulânâ Sheikh Nâzim sagte, daß nicht einmal Sayyidinâ Muhyîuddîn Ibn ‘Arabî oder irgendein anderer Heiliger über diese Dinge geschrieben oder sie in solchen Details dargestellt hatte – mit jenen tiefen Geheimnissen und göttlichen Weisheiten, wie sie der Großscheich ihm in diesen drei Stunden seiner Ansprache übermittelte.
„Und so fand der Großscheich mich ihm völlig ergeben. Ich gab mich in seine Hände, obwohl das damals für mich sehr schwierig war, weil ich mich als Imam des Sufi-Weges auf einer sehr hohen Stufe glaubte. Jedermann respektierte mich. Nun aber fühlte ich mich wie ein Spielzeug in der Hand dieses Großscheichs ‘Abdullâh ad-Daghistânî.
Nachdem er geendet hatte, fragte uns Großscheich: ‚Habt ihr noch irgendwelche Fragen? Was ist der Grund eures Besuchs?‘ Er tat, als wisse er nichts darüber. Nun sprach ich und sagte zu ihm: ‚Meine Absicht ist es, nach Medina Munawwara auszuwandern und dort ein Nachbar des Propheten Sayyidinâ Muhammad (s) zu werden.‘
Großscheich antwortet: ‚Mein Sohn, wir sind Männer der Wirklichkeit, Männer Allâhs des Allmächtigen. Wir sprechen nicht aus uns selbst, aus unserem Ego heraus. Wenn du mir eine solche Frage stellst, dann muß ich sie dem Propheten (s) stellen. Im letzten Drittel jeder Nacht bin ich in seinem Diwan. Ich gehe spirituell in die göttliche Gegenwart von Sayyidinâ Muhammad (s), und dort werde ich ihn für dich fragen. Morgen nach dem Fajr-Gebet komm wieder, und ich werde dir sagen, was der Prophet sagt, nicht etwas, was ich sage.‘
Er setzte uns Tee und eine Mahlzeit vor, er versorgte uns mit allem, und dann verabschiedete er uns so, wie er uns begrüßt hatte, bis wir die Tür erreichten. Wir gingen zu unserem Zimmer in der Moschee ad-Daqaq, und der Großscheich setzte seine Khalwa fort.
Es war eine sehr lange Nacht für mich, viel länger als jede andere Nacht meines Lebens, denn ich erwartete mit Spannung den Morgen und das Fajr-Gebet, um schnell zu dem Großscheich gehen zu können und die Antwort des Propheten Sayyidinâ Muhammad (s) auf meine Frage zu erfahren. Der Großscheich hatte ja versprochen, daß er für mich fragen und mir die Antwort nach dem Fajr mitteilen würde.
Wir beteten Fajr und gingen direkt zur Zâwiya, dem Maqâm des Großscheichs. Das Licht Muhammads strahlte aus seinem Zimmer und aus seinem Herzen und zog mich an, so daß ich fast flog, bis ich ihn erreicht hatte. Ich ließ mich in seiner Gegenwart nieder, und er sagte:
‚Mein Sohn, alle deine spirituellen Amanats und die Schlüssel zu deinen Wesenswirklichkeiten sind in meine Hände gegeben. Du bist mein Sohn von der Vorewigkeit bis in alle Ewigkeit. Du wirst unserem Naqshbandî-Pfad dienen. Und an dem Tag des Versprechens hast du versprochen, einer der Großscheichs dieser NaqshbandîLinie zu werden, der ihr bis zum Jüngsten Tag dienen wird. Der Prophet Muhammad (s) hat auf deine Anfrage geantwortet und gesagt, daß deine Absicht, sein Nachbar zu werden und nach Medina Munawwara auszuwandern, angenommen ist. Den Engeln ist schon befohlen worden, sie dir gutzuschreiben, so, als ob du wirklich zum Propheten nach Medina ausgewandert wärest und dich dort niedergelassen hättest. Die frohe Botschaft des Ranges eines der Auswanderer ist für dich geschrieben und gilt in jedem Augenblick für dich bis zum Yaum al-Qiyâma.
Aber der Prophet Sayyidinâ Muhammad (s) hat auch gesagt, daß seine Umma dich braucht – deinen Rat, deine Lehren und deine Führung. Er hat mir gesagt: ‚Sage ihm, daß er meine Nation vereinen soll, die hier und dort auf der Welt versprengt ist, jene Menschen, auf deren Herzen damals in der Vorzeit das Licht der Prophetie gefallen ist, aber die noch nicht zum Islam und zu den aufrichtigen Dienern Allâhs des Allmächtigen gekommen sind. Laß ihn diese Menschen auf der ganzen Welt sammeln und zu mir bringen. Und wieviele er jeweils in  Stunden erreicht, er soll sie mir vorstellen. Ich werde spirituell anwesend sein, auf ihn warten und ihn und die Menschen, die er mitbringt, begrüßen. Diese Menschen werden dann unter meinen Augen und unter meiner Führung sein, und ich werde sie auf den geraden Weg bringen.‘
‚O mein Sohn‘, fuhr Großscheich ‘Abdullâh fort, ‚und so sehe ich, daß dem Willen des Propheten entsprechend es das Beste für dich ist, wenn du nun nach Zypern zurückkehrst, denn die Menschen dort wissen nichts über den Islam, und sie brauchen dich auch, damit du sie den geraden Weg und den Naqshbandî-Sufi-Weg lehrst.‘
Und dann gab er mir die Einweihung, die Bayat. Als er ‚Allâh hû, allâh hû, allâh hû, aaqq‘ sagte und auf mein Herz sah, da wurden durch diesen Blick alle spirituellen Stationen meines Herzens geöffnet und auch meine Herzensaugen, und nun konnte ich alles in den Himmeln, den Erden und Universen sehen – die spirituelle Wirklichkeit eines jeden erschaffenen Dinges. Und dann erschienen Lichter über Lichter. Alle möglichen Lichter der verschiedenen spirituellen Stationen leuchteten auf. Und all diese Maqâms wurden mir von Allâh dem Allmächtigen durch den Großscheich Maulânâ Sheikh ‘Abdullâh ad-Daghistânî geöffnet.

Dann lehrte mich der Großscheich den Dhikr der Naqshbandî-Tariqat und den Khatm Khwajagân, und er sagte: ‚Ich werde von nun an immer bei dir sein. Du wirst mit den Menschen zusammen sitzen und ihnen von meinem Wissen geben, von jenem göttlichen Wissen, das direkt von dem Propheten Muhammad (s) kommt. Du brauchst all diese Bücher nicht.‘
Ich küßte seine Hand und auch die Türschwelle seines Zimmers und ging mit der Absicht, sofort nach Zypern abzureisen, um seine Anweisung zu erfüllen, denn von nun an war er mein Scheich. Und ich sagte zu Sheikh as-Sibayî, dem Imam der Moschee Khâlid ibn Walîds, der mich von Homs nach Damaskus gebracht hatte: ‚Ich werde ihm gehorchen. Er ist jetzt mein Scheich. Ich werde tun, was er mir aufgetragen hat, und nach Zypern reisen. Was immer ich noch in Homs an Büchern und Kleidern habe, alles, was noch in meinem Zimmer ist, gib es armen Leuten. Ich will davon nichts mehr haben.‘“
Und Maulânâ hatte damals viele alte Manuskripte und sehr teure Bücher. Er verteilte alles an die Armen. Und er sagte: „Damals hatte ich nicht einen Penny in der Tasche, denn als ich Istanbul verließ, hatte ich Allâh gelobt, daß ich das Geld der Dunyâ nicht anrühren oder in meine Tasche stecken würde. Ich ging direkt zur Busstation, um in den Libanon zu reisen, dem Land des Gebietes von Shâm, das am Meer liegt. Damaskus selber liegt nicht am Meer. Libanon aber ist Zypern so nahe, und jeden Tag segelte damals ein Schiff vom Libanon nach Zypern.
Es war nun aber die schlimmste Phase des Zweiten Weltkrieges, und die Französische Armee hatte den Libanon besetzt, Damaskus und all diese Länder, und die Engländer waren hinter ihnen her, um sie hinauszuwerfen und sich selber dort niederzulassen.
Als ich die Busstation erreichte, blickte ich mich nach dem Bus um, der in den Libanon fahren würde. Plötzlich rief jemand hinter mir: ‚Sheikh, willst du nach Tripoli, Trablus, in Shâm?‘, denn dort war der Hafen für die Schiffe nach Zypern. Der Rufer kannte mich nicht, und auch mir war er unbekannt. Er sagte weiter: ‚Hier ist nämlich ein Bus, der sofort abfährt.‘ Ich dachte daran, daß ich ja kein Geld hatte, um mit dem Bus zu fahren. Der Mann lachte: ‚Mach dir keine Sorgen, steig nur ein, ich werde für dich bezahlen.‘ Und so dankte ich Allâh dem Allmächtigen und setzte mich zu den Passagieren. Der Bus fuhr ab und brachte uns nach Tripoli ...
Es waren ungefähr 1oo Kilometer von Damaskus nach Tripoli. Am Abend kamen wir an. Ich kannte weder den Libanon noch
Tripoli, und es war schon Abend, als ich am Busbahnhof ausstieg. Ich dachte bei mir: ‚O Allâh, Allmächtiger, ich weiß nicht, wo ich nun hingehen soll. O mein Sheikh, ich weiß nicht, wohin ich gehen soll!‘ Das waren meine Gedanken, als ich eine Stimme hörte, die rief: ‚Sheikh Nâzim? Bist du nicht Sheikh Nâzim? – Du bist Sheikh Nâzim! Ich weiß, daß du es bist!‘
Ich schaute mich um und sah einen sehr ehrwürdigen Mann mit langem Bart. Sein Gesicht war voller Licht. Es war ein sehr heiliger Scheich mit großen, intensiv blauen Augen. Ich war so überrascht, ich wußte nicht, was ich denken sollte ... seine Augen waren höchst bemerkenswert. Ich sagte: ‚Ja, ich bin Sheikh Nâzim.‘
‚Seit drei Tagen schon warte ich auf dich. Ich habe den Propheten Muhammad (s) in meinem Traum gesehen. Er kam zu mir und befahl mir: ‚Wach auf, mein Sohn Nâzim kommt an der Busstation an. Allâh der Allmächtige hat ihn zum Erben der Geheimnisse der  ooo Propheten und aller Großscheichs der Naqshbandî-Linie von Abû Bakr as-Siddîq an bis zu Sheikh ‘Abdullâh ad-Daghistânî gemacht. Er ist der Heilige, auf den alle anderen angewiesen sind. Erweise ihm vorzügliche Gastfreundschaft, bediene ihn persönlich, und dann trage dafür Sorge, daß er nach Zypern kommt!‘ Und der Prophet zeigte mir ein Bild von dir.‘ So sprach jener Scheich, und er stellte sich vor als Sheikh Munir al-Malak.
Ich folgte ihm auf sein Zimmer, das sich in der sogenannten ‚Hohen Moschee‘ in Mina, der Seeseite von Tripoli, befand. Er hatte dort einen privaten Raum für sich. Er sagte: ‚Ich werde dir mein Zimmer geben.‘
Drei Tage lang bediente er mich und war bei Tag und bei Nacht auf den Beinen. Er suchte nach einem Schiff, das nach Zypern fahren würde, aber es war sehr schwierig, eines zu finden, denn die Meere wurden von der Französischen und der Englischen Armee bewacht. Niemand wagte es damals sogar, im Meer zu schwimmen.
Schließlich traf jener Sheikh Munir einen seiner alten Bekannten, einen Fischer, und er sagte zu ihm: ‚Ich suche nach einem Boot für Sheikh Nâzim, das ihn nach Zypern bringt, denn das ist der Befehl des Propheten Muhammad an ihn, und er steht dabei unter dem besonderen Schutz des Propheten.‘ Daraufhin sagte der Mann: ‚Ich werde ihn mit meinem Boot hinüberfahren.‘
Sein Boot war sehr klein und hatte nur Platz für fünf bis sechs Personen. Eine einzige hohe Welle würde es schon zum Sinken bringen können. Und so fragte der Scheich: ‚Kannst du das wirklich?‘ ‚Inshâ’allâh‘, antwortete der Mann, ‚so Allâh will, werde ich es schaffen.‘ Und der Scheich gab ihm das Geld für meine Überfahrt.
Er kam zurück und berichtete mir und sagte, daß ich mit jenem Boot würde fahren können. Es war so klein, daß es nicht einmal einen Platz gab, um Wu¡û’ zu machen, die rituelle Waschung für das Pflichtgebet. Das Boot segelte hinaus auf das Meer, das zwischen Tripoli im Libanon und der Insel Zypern liegt. Mit einem größeren Schiff hätte man die Distanz in sechs Stunden bewältigt, wir aber brauchten acht Tage! Wir segelten Tag und Nacht, und es gab weder genug Trinkwasser noch Lebensmittel. Wenn ich Wu¡û’ machen wollte, mußte ich mich hinunterlassen, mein Wu¡û’ erneuern und wieder hinauf ins Boot klettern. Es war so schwer während dieser acht Tage, besonders nachts. Unter diesen schwierigen Umständen erreichten wir Zypern und hatten damit den Befehl des Propheten Muhammad (s) und meines Scheichs, Maulânâ ‘Abdullâh ad-Daghistânîs, ausgeführt. Ich achtete nicht auf die ganzen Schwierigkeiten, die eine nach der anderen auftauchten und mich anscheinend daran hindern wollten, den Befehl auszuführen.
Nach acht Tagen erreichten wir also das Festland von Zypern. Als ich meinen Fuß auf die Insel setzte, war es, als ob mein Herz explodiert, und ich hatte plötzlich außergewöhnliche spirituelle Kräfte. Alle spirituellen Stationen bis zum Thron Allâhs des Allmächtigen gingen vor mir auf, und ich konnte alles bis hin zur siebten Erde sehen. Und plötzlich war da auch der spirituelle Körper meines Großscheichs ‘Abdullâh ad-Daghistânî, der mich begrüßte. Er blieb von da an immer an meiner rechten Seite und begleitete mich.
Alle möglichen Arten göttlicher Geheimnisse und göttlichen Wissens wurden meinem Herzen eröffnet. Ich wurde zur wandelnden Enzyklopädie all dieser göttlichen Meere des Wissens Allâhs des Allmächtigen, und ich wurde zum Übersetzer meines spirituell anwesenden Scheichs. Seit jenem Moment ist er ständig bei mir. Nie bin ich von ihm getrennt – nicht für einen Augenblick. Und er gab mir auch Wissen durch die spirituelle Gegenwart des Muhyîuddîn Ibn ‘Arabî, der mich mit all seinem Wissen bekleidete.
Und dann sah ich zu meiner Überraschung Tausende von Menschen am Strand, die gekommen waren, um mich zu begrüßen. Niemand wußte, daß ich kam, aber all diese Menschen hatten den Propheten und Großscheich im Traum gesehen, und es war ihnen aufgetragen worden, zum Strand zu gehen, um Maulânâ Sheikh Nâzim zu begrüßen‘. Mit diesem Empfang betrat ich Zypern – mit Tahlîl und Takbîr, unter Allâhu akbar!-Rufen und der Lobpreisung Allâhs des Allmächtigen ...“ ◆
Quelle: Über das Leben Maulana Sheikh Muhammad Nazim Adel al-Haqqani al-Qubrusi
Vgl, auch: M. H. Kabbani,  DER WEG DER MEISTER (letztes Kapitel)
S. E. Spohr, "Then you need two names" – Geschichten mit unserem Sheikh.
 
 
 
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