Herrn Schäuble ist mit einem gewissen Recht vorgehalten worden, er werde durch einen von ihm praktizierten Sicherheitswahn eines Tages als Totengräber der freiheitlich demokratischen Grundordnung in die Geschichte eingehen. Das wäre indes nur die halbe Wahrheit: Indem sie die wirklichen Quellen der Gefahr des Terrorismus verkennen, werden er und sein Verfassungsschutz nämlich sogar selbst zu einem Sicherheitsrisiko.
Daß neue Muslime, dazu vielleicht mit dem Vermögen zu teutscher Gründlichkeit begabt, ihre Religion möglicherweise ernster nehmen als andere, sollte für den Bundesinnenminister ein Grund zur Beruhigung sein. Denn ernsthafte Muslime des ahli s-sunna wa l-jamât, die konservativen Frommen, die der Sunna und der Scharia folgen, sind dagegen gefeit, Terroristen zu werden. Nur die “modernen Muslime”, was eigentlich eine contradictio in adiecto ist, solche, bei denen westliches Denken Einfluß auf ihr Religionsverständnis genommen hat, können Terroristen werden.
Es sollte sich doch auch bis in die Etagen der deutschen Innenminister herumgesprochen haben, daß der von den Sicherheitskräften so heftig beschworene Terrorismus wesentlich eine Folge des Einflusses gerade westlichen Denkens auf den Islam ist. Ein fataler Irrtum, daß Innenminister und Verfassungsschutz der Grundformel anhängen, die da lautet: Je frommer einer ist, um so leichter wird er zum Terroristen. Nein, nein, nein! – Dies ist genau der Punkt, wo Aufklärung in Grundfragen des Islam gefordert ist und Behördenleiter einmal mehr die Schulbank drücken sollten.
Ein der Tradition verpflichteter Muslim rennt nicht auf die Straße, um zu “protestieren”, er geht in die Moschee, um zu beten. Der Mob, den man durch manche Straßen toben sieht – Hunderte von Millionen von Muslimen auf der ganzen Welt können von solchen Bildern nur peinlich berührt sein -, er ist ein deutlicher Ausdruck westlichen Einflusses auf den islam und eine Spätfolge jener Revolution in Frankreich, da man die Bastille geöffnet und Ratten und Skorpione auf die Menschheit losgelassen hatte. Muslimen kann es nur als verderbt und barbarisch erscheinen, elementare Fragen des Staates, der Gesellschaft und Religion überhaupt auf die Straße zu bringen.
Daß Herr Schäuble und die Sicherheitskräfte die gegebenen Verhältnisse einfach auf den Kopf stellen, indem sie Konvertiten als besondere Gefahrenherde verunglimpfen, beweist, daß sie nicht informiert sind oder keinen Verstand haben, ihre Urteilskraft zumindest heftig schwächelt. So ein gravierender Mangel an Urteilskraft aber, mit Kant gemeiniglich Dummheit genannt, muß selbst zu einer Gefahr für den Staat werden. Doch was sollen wir tun, wenn nun die Polizei selbst dümmer ist, als die Polizei erlaubt? Was sollen wir tun, wenn die Sicherheitkräfte im Internet bald von staats wegen Virenangriffe gegen verdächtige Rechner starten dürfen und damit – wer kontrolliert die Kontrolleure? – für die gesamte Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur zu einem millionenfachen Sicherheitsrisiko werden? Bei sorgfältiger Würdigung eines hier nur angedeuteten Sachverhaltes sieht es so aus, als könnten wir uns, schon aus Sicherheitsgründen, solch einen Innenminister und solch einen Verfassungsschutz nicht mehr leisten.
Vgl. hier
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