"Putin zur Raison bringen" – über die Primitivität amerikanischer Denkungsart


Auf die Frage seines Kollegen Sven Lorig, "Hallo Stefan, warum gibt es gerade jetzt die Meldung von diesem Bericht?" erklärt Washington-Korrespondent der ARD Stefan Niemann wörtlich:
"Nun der Zeitpunkt ist nicht wirklich überraschend, denn der Frustpegel hier in Washington ist seit Wochen enorm gestiegen. Viele hochrangige Militärs und auch führende Mitglieder der Republikanischen Partei haben das Gefühl, daß die mahnenden Worte von Diplomaten Richtung Moskau und auch Wirtschaftssanktionen Putin nicht zur Raison bringen. Sie fühlen sich ohnmächtig und haben offensichtlich das Gefühl, jetzt ist das Maß voll, jetzt müssen andere Drohgebärden her, um Putin zur Vernunft zu bringen. Das steckt wohl dahinter, und insofern ist dieser Bericht vielleicht nicht überraschend jetzt rausgekommen. Sonst hätten die Diplomaten im Außenministerium schneller dementiert."
War der europäisch erzogene Mensch immer mal wieder von hochsentimentalen, ja rührseligen Passagen in amerikanischen Filmen unangenehm berührt gewesen, die ihm doch nur als anderer Ausdruck dessen hatten erscheinen können, daß Amerikaner eben etwas einfacher gestrickt sind und eine Attitüde pflegen, nach der Sachverhalte lieber schwarz-weiß zu sein haben und nicht zu kompliziert sein dürfen, so hat diese Einstellung mit Blick auf die Welt bis heute unendlich viel Unheil angerichtet, seit sie sich mit der Erfolgsbesessenheit des militärisch-industriellen Komplexes und der maßlosen Gier einer weltweit operierenden Hochfinanz verbündet hat. Jetzt hat das typisch Amerikanische aufgehört, nur kitschig zu wirken, da es sich nun den Völkern der Welt als lebensbedrohend zeigt.
Und wenn die Regierungssprecherin des Weißen Hauses  den Sinn der neuen Drohungen darin erkennen läßt, daß sie sagt: "Wir wollen Rußlands Verhalten ändern", dann ist das nur ein weiterer Ausdruck und ein Alarmzeichen eines in der kompliziert gewordenen Welt von heute nicht mehr hinnehmbaren Mangels an Verstand und Subtilität in der Deutung des Geschehens.
Indem Amerika sich selbst und der Welt einzureden versucht, es gelte bloß, Putin zur "Raison" oder auf Deutsch "zur Vernunft" zu bringen, propagiert es die Vorstellung, Wladimir Putin sei einer, der einfach seinen Verstand und jede Vernunft verloren hätte, da es ja gerade umgekehrt die Amerikaner sind, die nicht bereit sind, beispielsweise zu verstehen, daß die ständigen Erweiterungen des NATO-Bereichs ein klarer Bruch von Versprechen waren, die Amerika den Russen im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung Deutschlands gegeben hatte. Und sie wollen auch nicht die historische Tatsache verstehen, daß die Krim seit langem zur UDSSR gehört hatte und nur durch einen eigentlich überflüssigen Verwaltungsakt Chrustschows im Sinne einer lieben Geste seiner alten Heimat Ukraine gegenüber dieser zugeschlagen wurde, die damals ja auch zur Sowjetunion gehört hatte. Und der Volksentscheid der Leute der Krim war eindeutig gewesen.
Die nicht allein von neokon-Scharfmachern verbreitete Vorstellung, es gelte nur, Putin zur Raison zu bringen, um den Konflik zu lösen, ist einfach nur dumm oder ein Mittel, die ganze Sache bloß noch mehr anzuheizen, weil das wirtschaftlich am Boden liegende Amerika dringend einen neuen Krieg zu brauchen glaubt.
Es kann gut sein, daß der Zeitpunkt nicht fern ist, da solch ein eklatanter Mangel an Differenziertheit weltweit nur als ein Ausdruck und die Vorankündigung eines rasanten Abstiegs einer ganzen Nation gedeutet zu werden verdient. Und ein wunderbarer Amerikaner, Paul Craig Roberts nämlich, würde mir recht geben.
 
 
 
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