In einer gerade bei Duncker & Humblot erschienenen Arbeit von Dietrich Murswiek (*) werden die rechtlichen Voraussetzungen für die Beobachtung von Organisationen durch den Verfassungsschutz und die Berichterstattung im Verfassungsschutzbericht endlich in einer Weise präzisiert, die der relativen Willkür dieser Organisation einen deutlichen Riegel vorschiebt.
Zeigte der Autor, daß es „grundsätzlich verfassungswidrig [sic!!] ist, im Verfassungsschutzbericht über Orgnisationen zu berichten, deren Verfassungsfeindlichkeit nicht erwiesen ist“, ergeben sich damit gravierende Beschränkungen für eine Behörde, die es bislang gewohnt war, Einträge in die Verfassungsschutzberichte des Bundes und der Länder mehr oder weniger nach Gutdünken oder bloßen Annahmen vorzunehmen. Ein damit ideologisch resp. weltanschaulich oder gar durch naßforsche Kumpanei geprägten Einflußnahmen gegenüber bislang weit geöffnetes Tor hat nun die Chance, verkleinert oder gar gänzlich geschlossen zu werden. Es ist zu hoffen, daß der ohnehin allüberall wuchernde Einfluß der Politik auf die Behörden damit beschnitten wird.
Und das kann neben politischen Organisationen auch und besonders für muslimische Vereine wichtig sein, deren Rechtbeiständen nun neue Mittel an die Hand gegeben sind, die Löschung von Einträgen aus Verfassungsschutzberichten zu erwirken. Dies gerade vor dem Hintergrund dessen, daß der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) gerade erklärt hat (vgl. den Bericht auf IslamiQ (**)), einige seiner Mitgliedsorganisationen „vefassungsrechtlich“ überprüfen lassen zu wollen.
Daß der ZMD sein Gründungsmitglied ATIB verfassungsrechtlich überprüfen und die Mitgliedschaft der DMG vorerst „ruhen lassen“ will, erscheint auf den ersten Blick als eine Ungeheuerlichkeit und als ein Verrat des Zentralrates an den unter jenen Dächern organisierten Muslimen.
Auf den zweiten Blick kann man den Vorgang auch als den Ausdruck eines peinlichen Mangels an Kenntnis des rechtlichen Sachstandes verstehen, unter dem der Zentralrat und sein Vorsitzender Aiman Mazyek offenkundig leiden.
Hier sei nur darauf hingewiesen, das sich für alle in Verfassungsschutzberichten bloß aus alter Gewohnheit Erwähnten wie ATIB, DMG oder Milli Görüs im genannten Werke Dietrich Murswieks unter dem Titel „Verfassungschutz und Demokratie“ nun eine wichtige Erkenntnis findet:
Sofern es nämlich „grundsätzlich verfassungswidrig ist, im Verfassungsschutzbericht ohne eindeutigen Beweis erwähnt zu sein, wäre dies für ATIB, DMG oder Milli Görüş eine schöne Grundlage dafür, ihre Erwähnung in Verfassungsschutzberichten durch eine neue Verteilung der Beweislast mit sofortiger Wirkung tilgen zu lassen.
Es kann also nicht angehen, daß Verfassungsschutz-Mitarbeiter des Bundes oder der Länder die Erwähnung ehemals wohlbegründet oder aufgrund bloßer Vermutungen in ihre Berichte aufgenommene Organisationen ohne aktuellen Beweis, das ist aufgrund blinden Argwohns oder auch purer Faulheit, in ihren neuen Berichten, wie schon oft geschehen, einfach fortschreiben.
Es wäre dringend zu empfehlen, daß die Rechtsbeistände der genannten Vereine die betroffenen Behörden mit Nachdruck dazu auffordern, von jener Praxis Abstand zu nehmen, wenn anders sie nicht eine Anzeige wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen die Verfassung riskieren wollen.
Nach dem, was in einigen Bundesländern immer noch unverantwortliche Praxis ist, müßten die Verfassungsschützer sich, so verstanden, in ihren Berichten mit gutem Grund wohl selbst einmal erwähnen.
Zählt im Umgang mit staatspolitischen Behörden in Deutschland für Muslime wie überall auf der Welt so etwas wie Mannesmut vor Tyrannenthron, scheint der bisherige ZMD-Vorsitzende Aiman Mazyek einfach der falsche Mann zu sein. Und wenn er betont, daß „in unserem Rechtsstaat selbstverständlich auch für die DMG die Unschuldsvermutung“ gelte, kaschiert er damit bloß den Umstand, in seinem vorauseilenden Gehorsam den Behörden gegenüber seinen muslimischen Brüdern in Wahrheit leider doch nur in den Rücken zu fallen.
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(*) Dietrich Murswiek: „Verfassungschutz und Demokratie. Voraussetzung und Grenzen für die Einwirkung der Verfasssungsschutzbehörden auf die demokratische Willensbildung. 187 Seiten. ISBN 978-3-428-15922-2 – € 39,90 – Duncker & Humblot. Berlin, 2020. – Infotext des Verlags: „Der Autor präzisiert die rechtlichen Voraussetzungen für die Beobachtung von – Organisationen durch den Verfassungsschutz und für die Berichterstattung im Verfassungsschutzbericht, indem er insbesondere Kriterien zur Identifizierung von tatsächlichen Anhaltspunkten für verfassungsfeindliche Bestrebungen herausarbeitet. Er zeigt, dass es grundsätzlich verfassungswidrig [sic!!] ist, im Verfassungsschutzbericht über Orgnisationen zu berichten, deren Verfassungsfeindlichkeit nicht erwiesen ist.“
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